2. Januar 2010

Abhängigkeit oder Autonomie?

Greta wächst - und das nicht nur auf mittlerweile 101 cm bei etwa 16 kg. Nein - sie wächst vor allem als Person. Die Videos vom Mallorca-Urlaub vor einem Dreivierteljahr zeigen noch ein echtes Kleinkind, während die Wahrnehmung heute eher schon ein echtes kleines Kind zeigt. Die Trotzphase, in der sie sich gerade befindet ist vielleicht ein Zeichen des Konfliktes zwischen der gemütlichen und sicheren Abhängigkeit des Kleinkindes zu den erhöhten Freiräumen, aber auch erweiterten eigenständigen Aufgaben und Möglichkeiten des Kindes. Ja, Greta kann eine Menge Dinge erstklassig schon alleine, aber der Grat zwischen Loslassen und Klammern ist halt noch sehr schmal. Ich will gar nicht vermuten, dass es Bequemlichkeit ist, denn das wäre zu erwachsen. Nein, sie ist in einer Phase angekommen, in der sie selbst merkt, dass sie sehr viele Dinge des täglichen Lebens sehr gut ohne jede Hilfe bewältigen kann. Das kann aber für einen kleinen Menschen auch schon mal beängstigend sein. Das Thema Angst ist übrigens damit einhergehend auch erstmalig so richtig präsent. Greta hat plötzlich neue Ängste, die möglicherweise mit den neuen Freiräumen zusammen hängen. Mit einem Mal ist der Nikolaus bedrohlich oder die Dunkelheit oder Geräusche. Alleine machen können bedeutet eben auch schon mal alleine zu sein mit einer Situation, die sich nicht so sicher anfühlt, wie es ein Kind gerne hätte. Da ist von uns im Umgang auch mehr Fingerspitzengefühl verlangt. Es ist eine spannende, aber naturgemäß auch eine ein klein wenig traurige Zeit, da sich Greta ja nicht nur von den Eltern löst, sondern das Ganze auch umgekehrt stattzufinden hat. Das kann Eltern neben dem Stolz auch schon mit Wehmut füllen.
Ein weiteres Zeichen ihrer Auseinandersetzung mit der Unabhängigkeit ist das vermehrte Auftreten des Themas Tod. Sie ist neuerdings sehr interessiert daran, ob man unter diesen oder jenen Umständen stirbt. Das geht so weit, dass sie das auch im Traum verarbeitet. Letztens im Auto sang sie "Ihr Kinderlein kommet" und erwähnte, dass sie das auf einer Feier mit ganz vielen Menschen auch im Traum gesungen hätten. Die wären aber alle tot gewesen bis auf ihre Freunde. Da schluckt man doch erst mal kräftig. Ebenso wie bei ihrem Kommentar als sie hinten im offenen Kofferraum unseres Autos mitfahren wollte und Simone ihr sagte, das wäre viel zu gefährlich für sie. Ihre Antwort: Dann bekommt ihr eben eine neue Greta. Darauf angemessen zu wechseln kann schon mal sehr schwer sein.
Die letzte Episode für heute ist auch aus dieser Ecke. Wir waren vor Weihnachten in Köln und dort im Dom. Da ist eine Stelle, wo man vor der Altarförmigen Sterbeszene Jesu Kerzen anzünden kann. Ich habe Greta natürlich erzählt, dass das aus der Bibel stammt und darstellt, wie Jesus stirbt (sie fragte mich nach der Wunde in der Brust). Wir zündeten eine Kerze an und gingen. Später am Abend fragte Greta dann plötzlich (wohl in der Kenntnis, dass das Christkind auch Jesus darstellt) "Ist das Christkind tot?" Das Herumgeeiere, das von mir dann folgte, die ganze Geschichte in etwa für sie verständlich herüberzubringen, war echt ein kleiner Albtraum.
Greta ist für mich kein Kleinkind mehr und das ist traurig und schön. Irgendwie sieht es in ihr wohl ähnlich aus wie in mir.

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